Mittwoch, 25.06.2025

„Bargeld ist nicht tot, aber seine Rolle wandelt sich.“ Ein Gespräch mit Frank Detlef Mayrle

Unbare Zahlungsmittel weiten ihren Vorsprung gegenüber Bargeld weiter aus. In einer aktuellen Studie der Bundesbank geben 44 Prozent der Befragten an, dass sie Karten und Co. bevorzugen. 28 Prozent greifen lieber zum Bargeld – ebenso viele sind noch unentschlossen. Für Unternehmen ergeben sich aus dieser Entwicklung verschiedene Fragen: Wie lässt sich weiterhin eine sichere Bargeldversorgung gewährleisten? Welche Rollen spielen Regulierung, Digitalisierung und IT-Systeme in diesem Umfeld? Frank Detlef Mayrle, Geschäftsführer der HEROS Geld- und Werttransport GmbH und Direktor Sonderaufgaben der Sparkasse Leipzig, gibt Einblicke in ein Geschäftsmodell zwischen Tradition und digitalem Wandel.


Bargeld: Relevanz trotz Wandel

ALVARA: Herr Mayrle, Sie sind seit 2011 in einer Doppelrolle tätig – als Direktor Sonderaufgaben bei der Sparkasse Leipzig und zugleich als Geschäftsführer der HEROS Geld- und Werttransport GmbH, einer Tochter der Sparkasse Leipzig. Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Rolle von Bargeld in den letzten Jahren verändert?

Frank Detlef Mayrle: Egal in welcher Branche, die Bedeutung von Bargeld unterschätzen Verantwortliche angesichts verschiedener Studien häufig vorschnell. Denn auch wenn viele Menschen inzwischen unbare Zahlungsmittel nutzen – teils bevorzugen – bleibt Bargeld ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Gerade in Krisenzeiten ist es verlässlich, anonym und einfach in der Handhabung. Bargeld ist also nicht tot, seine Rolle wandelt sich jedoch. Unsere Aufgabe als Sparkasse wie auch als Wertdienstleister ist es dabei, die Versorgung effizient, sicher und regelkonform zu gewährleisten.


Wie wirkt sich der rückläufige Bargeldumlauf konkret auf Ihr Geschäftsmodell aus?

Ich beobachte in den letzten Jahren eine stetig sinkende Bargeldmenge bei unseren Handelskunden. Dies erfordert, unsere tägliche Arbeit anzupassen. Heute stehen nicht mehr große Volumina im Vordergrund, sondern flexible und qualitativ hochwertige Dienstleistungen. Unsere Prozesse müssen skalierbar bleiben – nicht im Sinne von „immer mehr“, sondern im Sinne von Anpassungsfähigkeit. Auch bei kleineren Auftragsvolumina effizient, sicher und wirtschaftlich arbeiten zu können, ist notwendig.

Ich bin überzeugt: Bargeld bleibt. Schließlich stärkt es persönliche und gesellschaftliche Resilienz wie auch Autonomie und gilt weiterhin als Zahlungsmittel mit dem höchsten Datenschutzniveau. Aber der Fokus verlagert sich – hin zu Qualität, punktueller Verfügbarkeit und erhöhter Sicherheit. Für Werttransportunternehmen bedeutet das: mehr IT, mehr Logistik, mehr Regulatorik – aber auch neue Chancen, uns als zukunftsorientierter Dienstleister zu positionieren. 


Welche strategischen Überlegungen ergeben sich daraus für die HEROS Geld- und Werttransport GmbH und die Muttergesellschaft – die Sparkasse Leipzig?

Im Rahmen des Projektes Payment der Sparkasse Leipzig wurde in 2020 der folgende strategische Handlungsrahmen für Bargeld als Teilstrategie beschlossen.

Im Bargeldservice ist keiner besser als wir. Bargeld wird weiterhin ein wesentliches Zahlungsverfahren unserer Kunden bleiben, deshalb ist es weiterhin integraler Bestandteil unseres Geschäftsmodells. Wir bieten unseren Kunden einen exzellenten Service und diese honorieren dies über faire Entgelte.

Die in diesem Projekt überarbeiteten und neu eingeführten Prozesse, insbesondere das Safebag-Verfahren über Interactive Cash Control (ICC) von ALVARA, haben unsere Erwartungen an Effizienz und Sicherheit voll erfüllt. 

Kunden der Sparkasse Leipzig stehen in Bargeldcentern alle Ein- und Auszahlmöglichkeiten für Noten- und Münzgeld zur Verfügung. Für Firmenkunden kommt die individuelle Belieferung und Abholung durch HEROS hinzu. 

Neben unserer Muttergesellschaft ist HEROS mittlerweile für zwei weitere Regionalbanken tätig und mit weiteren in Verhandlungen.


IT als Rückgrat moderner Bargeldlogistik

Können Sie konkretisieren, inwiefern IT eine Rolle bei einer gut aufgestellten Infrastruktur spielt?

Unsere Prozesse – von der Tourenplanung und der Echtzeitüberwachung über das Bestandsmanagement bis zur Abrechnung – müssen effizient, sicher und revisionsfest ablaufen. Dafür braucht es ein flexibles und leistungsfähiges ERP-System. Dieses bildet das operative Rückgrat unseres Geschäfts und stellt sicher, dass wir regulatorischen Anforderungen ebenso gerecht werden wie den Erwartungen unserer Kunden.
 

In diesem Kontext freuen wir uns, dass HEROS sich für das ERP-System von ALVARA entschieden hat. Welche Rolle würden Sie sagen, spielt ein solches System bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen?

Eine Entscheidende. Unsere Fähigkeit, neue Services schnell umzusetzen, hängt stark von der Flexibilität des Systems ab. Ob neue Touren und Stopps, die ständige Kontrolle über Bargeldbewegungen oder die Zusammenarbeit mit unseren Kunden – wir können viele Abläufe, aber auch Änderungen regelbasiert im Backend steuern.
 

Was würden Sie Unternehmen raten, die aktuell vor der Einführung eines ERP-Systems stehen?

„Setzen Sie auf einen Partner, der Ihre Branche versteht!“ Neben sehr speziellen Prozessen gelten in der Wertelogistik besondere Anforderungen: Sicherheit, Nachverfolgbarkeit, Regulatorik. Das genutzte ERP-System muss all das abbilden können. Genauso wichtig ist ein professionelles Projektmanagement – und eine enge, partnerschaftliche Zusammenarbeit.


Zwischen MaRisk, BAIT und DORA: Regulatorik als Realität

Das führt uns gleich zum Stichwort „Regulierung“: Welche Bedeutung haben MaRisk, BAIT, DORA und KRITIS für Ihre Branche und ganz konkret für Ihr Tagesgeschäft?  

Seit 2019 definieren die Anforderungen des Bundesamts für Sicherheit und der Informationstechnik (BSI) HEROS als sogenannten Dienstleister für Kritische Infrastruktur. Ohne Unterstützung unserer Muttergesellschaft hätten wir diese Anforderungen als mittelständischer Geld- und Wertdienstleister kaum gestemmt. 

Meine persönliche Überzeugung ist, dass diese hohen formalen regulatorischen Anforderungen nicht nur als Belastung zu sehen sind. Ein Informations-Management-System und ein Business Continuity Management-System sind auch ohne verpflichtende Anforderungen ein Muss für moderne Logistikdienstleister. Ein konkretes Beispiel sind gemeinsame Notfalltests zwischen Wertdienstleister und Bank, um Prozesse und Ressourcen in kritischen Situationen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zur Verfügung zu haben. Am Ende wird dies auch ein wesentlicher Punkt sein, um Aufträge zu generieren und Kunden zu halten.


Digitalisierung in der täglichen Praxis

Wie schätzen Sie die Prozessdigitalisierung in Bezug auf den Unternehmenserfolg ein?

Sie ist ganz klar essenziell. Wo früher viel manuell lief, arbeiten wir heute mit Schnittstellen, digitaler Tourenplanung und mobiler Datenerfassung. Fahrzeuge, Leitstelle und Abrechnungssystem kommunizieren in Echtzeit. Das erhöht nicht nur die Effizienz, sondern ermöglicht auch die wirtschaftliche Abwicklung kleinerer Aufträge, die künftig immer wahrscheinlicher werden.


Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Sparkasse Leipzig aus, insbesondere im Hinblick auf neue Anforderungen?

Wir sind eine Tochtergesellschaft der Sparkasse Leipzig – das schafft kurze Wege und ein tiefes Verständnis für deren Anforderungen. Unser ERP-System hilft, regulatorische und operative Ziele miteinander zu verbinden und Transparenz hinsichtlich der täglichen Abläufe zu schaffen. Zentrale Reportings oder automatisierte Abrechnungen erleichtern die Zusammenarbeit zusätzlich.


Ein kleiner Exkurs, Herr Mayrle. Die tagesschau berichtete neulich von erhöhten Kosten für Banken durch den digitalen Euro. Wie schätzen Sie das ein: Ist der digitale Euro langfristig eine Ergänzung – oder ein Risiko für bestehende Zahlungs- und Sicherheitsinfrastrukturen?

Die tagesschau referiert hier auf eine aktuelle PwC-Studie, laut der die Einführung des digitalen Euros europäische Banken bis zu 30 Milliarden Euro kosten kann – insbesondere durch notwendige Anpassungen an Geldautomaten, Karten, Terminals und Banking-Plattformen. Gleichzeitig warnen Kritiker vor einem „Innovationsstau“, da bis zu 50 Prozent der IT-Ressourcen über Jahre hinweg gebunden werden könnten. 

Wenn zentrale Ressourcen in IT und Technik für die Einführung des digitalen Euro eingeplant sind, fehlt oft die Luft für dringend benötigte Innovationen in anderen Bereichen. Daher würde ich Stand heute sagen: Der digitale Euro und ein modernes Bargeldmanagement stehen nicht im Widerspruch zueinander, greifen aber stark auf dieselben Ressourcen zu. Ohne strategische Priorisierung oder zusätzliche Budgets droht eine Verzögerung bei Innovationen. Meist zieht dann das klassische Bargeldmanagement den Kürzeren, obwohl Bargeld weiterhin von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist – und somit auch die dahinterliegenden Prozesse. 


Herr Mayrle, danke Ihnen sehr, dass Sie mit uns Ihre Einschätzung zur Bargeldentwicklung geteilt und uns Einblicke gegeben haben, wie Bargeldakteure damit zeitgemäß umgehen können. 

Sehr gerne. Ich hoffe, dass sich mehr Unternehmen zu technischer Innovation und strategischer Partnerschaft entschließen, um das Bargeldmanagement an die aktuelle Entwicklung anzupassen. Denn letztlich schafft genau das einen Mehrwert für die eigene Organisation.


Zur Person
Frank Detlef Mayrle studierte an der Hochschule der Deutschen Bundesbank und der Hochschule für Finanzwirtschaft und Management. Er ist seit 2011 einerseits Direktor Sonderaufgaben bei der Sparkasse Leipzig, andererseits Geschäftsführer der HEROS Geld- und Werttransport GmbH, einem Tochterunternehmen der Sparkasse Leipzig. Seine Doppelrolle ermöglicht ihm tiefergehende Einblicke ins Thema Bargeldmanagement – vonseiten der Finanzinstitute und eines Werttransportdienstleisters.


Sie sind überzeugt: Bargeld ist nicht tot und benötigt daher auch in Ihrem Unternehmen ein modernes Management? Wir zeigen Ihnen gerne Ihre Optionen auf.